Sein Großvater und sein Vater setzten in ihrer Spedition auf Zugmaschinen der Neuen Generation – kurz NG. Dennis Rekate baute sich genau so einen auf. Noch dazu mit einer ungewöhnlichen Motorisierung.
Zehn‑Zylinder‑Motor in der Sattelzugmaschine.
Eigentlich wollte Dennis Rekate von Anfang an einen NG haben. Im Büro der Familienspedition hängen gleich mehrere Fotos, die den Fuhrpark der 1980er‑ und 1990er‑Jahre zeigen: mittelschwere NG-Sattelzugmaschinen in Kommunalorange, die Möbelkoffer durch ganz Deutschland zogen. „Genau so einen wollte ich“, sagt Rekate und zeigt durch die große Werkstatthalle, „doch mein erster Oldtimer war dieser LPS 2032.“
Es war knapp.
Doch der Wunsch ließ ihn auch danach nicht ganz los. Er suchte und suchte. Als er dann schon fast auf dem Weg zur Abholung eines 1748er SK war, tauchte über Bekannte ein Angebot auf. So selten und verlockend, dass er zwischen Weihnachten und Neujahr noch einen Besichtigungstermin ausmachte. Nach der Probefahrt war klar: Der und kein anderer sollte es sein.
Der vormals reinweiße 1936 S mit Fernverkehrskabine war eine italienische Exportversion, zugelassen im Jahr 1987. Gerade einmal 350.000 Kilometer standen auf dem Tacho. Die H‑Zulassung war aus dem Stand kein Problem. Für die bislang ungeschweißte Karosserie waren nur kleine Blecharbeiten an der Unterkante der Front notwendig, dann ließ Rekate den Rahmen in Rubinrot und die Karosse in Kommunalorange lackieren.
1987
Der NG 1936 wurde erstmals zugelassen – in Italien.
Technik.
Mercedes‑Benz NG 85 1936 S.
Baujahr: 1987/1988
Motor: OM 423
Hubraum: 18.270 ccm
Leistung: 261 kW (355 PS)
Zylinderanordnung: V10
Getriebe: 16‑Gang, Doppel-H‑Schaltung mit Splitgruppe
„Auch Oldtimer‑Lkw sind Nutzfahrzeuge – und die will ich auch benutzen können.“
Fundstücke inklusive.
Im Innenraum fanden sich noch Straßenkarten und Tachoscheiben des damaligen Fahrers. „Aus der Nähe von Lecce zog der NG Tieflader mit großen Weintanks bis nach Spanien“, berichtet Rekate und zaubert hinter dem Beifahrersitz das original italienische Nummernschild hervor. „Alles ist noch da.“ Weil er Wert auf zeitgenössische Details legt, ergänzte Rekate die alten Landkarten um eigene Exemplare und stattete die Kabine mit passenden Aufklebern und Wimpeln aus. Sogar das original italienische Rahmenschild im Heckbereich klebte er beim Lackieren ab. „Das gibt es nicht mehr neu“, erklärt er. Neuwertig ist selbst nach 33 Jahren die komplette Technik, an der Kfz‑Meister Rekate nur kosmetisch Hand anlegen musste.
Die Baureihe.
Fahrerhaus, Motoren, Achsen oder Getriebe – bei den Mercedes‑Benz Frontlenkern der Neuen Generation ist verglichen mit der LP‑Reihe fast alles neu. Das auf der Motoren‑Baureihe 400 basierende Baukastensystem ermöglicht V‑Motoren mit sechs, acht und zehn Zylindern. Den OM 423 gibt es ab 1985 hauptsächlich im Baugewerbe. In Sattelzugmaschinen bleibt er ein absoluter Exot.
Die Fernverkehrskabine besitzt einen vollständig geschlossenen Boden sowie eine Schaltung, bei der beim Kippen der Kabine das Schaltgestänge teleskopartig ausfährt. Diese Konstruktion sorgt für eine besonders gute Geräuschisolierung.
So gerüstet ist er mit dem 1936 schon einige kleinere Aushilfstouren im Betrieb gefahren. Das bleibt zwar die Ausnahme. Dennoch: „Das sind Lkw – die will ich auch benutzen können“, sagt der im Familienbetrieb für den Fuhrpark zuständige Oldtimer‑Fan. Als Nächstes steht die Kontaktaufnahme zum damaligen Fahrer an. „Das habe ich bei meinem LPS auch gemacht, und die Erstbesitzer – eine Spedition – waren mehr als begeistert, dass es den noch gibt.“
Fotos & Video: Alexander Tempel