Wasserblau ist die Hausfarbe der Dreier-Fahrzeuge. Einzige Ausnahme: der Actros 1863, den Martin Zingg fährt. Dessen Führerhausfront ist schwarz. Die Edition 1 mit 460 kW (630 PS) ist ein kleines Dankeschön von Hans-Peter Dreier für mehr als 30 Jahre Betriebstreue.
Dreier in der Schweiz: Mehr als die Hälfte des Fuhrparks trägt den Stern am Kühler.
Seit über drei Jahren hat Hans-Peter Dreier, Mehrheitsaktionär und CEO der Dreier AG, seine Zelte im Areal der Urzelle der Firma, in einem altehrwürdigen Gebäude in Suhr, aufgeschlagen: «Ich wollte mich etwas zurückziehen und weil durch das stetige Wachstum Platzmangel herrschte, war das die optimale Gelegenheit.» Die operative Geschäftsleitung ist nun zwar im zwei Kilometer entfernten Logistikcenter in Hunzenschwil, doch das heisst noch lange nicht, dass der heute 61-Jährige das Heft ganz aus der Hand gegeben hat. «Bei unserer heutigen Grösse benötigten wir eine andere Organisationsstruktur als noch vor einigen Jahren. Mit der operativen Geschäftsleitung wurde der Grundstein gelegt, dass sich junge Führungsleute sehr gut entfalten können.» Wenn der CEO und Aktionär, der die letzten vier Jahrzehnte des Wachstums mitprägte, immer am Tisch sitzt, muss dies nicht immer von Vorteil sein für die Entwicklung.
Mit mehr als 600 Mitarbeitern, 300 Lkw und 650 Wechselbrücken spielt die Dreier AG im Mittelfeld der Schweizer Transportunternehmen. Von ihren bescheidenen Anfängen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als der Grossvater begann, sich mit einem Pferdefuhrwerk unternehmerisch zu betätigen, ist die Firma dennoch weit entfernt. Daran hat Hans-Peter Dreier, der seit 1979 teilweise im Betrieb ist, einen beträchtlichen Anteil. Nach der KV Lehre und zwischen Auslandsaufenthalten, Militärdienst und Studium war er noch als Fahrer unterwegs. «In der Zeit konnte ich neben dem Studium auch ein bisschen Marokko disponieren», lacht der heutige CEO. Ab 1985 stieg er dann mit seinem Abschlussdiplom in der Tasche voll ein. Seither haben sich Umsatz, Personalstand und Fuhrpark verzehnfacht. Marokko gehört aber auch heute noch zu den Ländern, in denen die Dreier AG mit einer Niederlassung präsent ist. Sie verfügt über einen eigenen Fuhrpark und beschäftigt in Tanger 40 Mitarbeitende.
«Alte Liebe rostet nicht»
Marokko ist auch das einzige Land in Nordafrika oder dem Nahen Osten, wo heute noch Dreier-Fahrzeuge unterwegs sind. «1979, als der Umsturz im Iran erfolgte, mussten wir in kürzester Zeit unser gesamtes Geschäftsmodell umstellen. Denn dort hatten wir damals unser grösstes Geschäft. Die meisten Transporte erfolgten mit Planen-Lkw. Wir hatten einen Vertrag über 900 Transporte mit Wellblechen für Helikopter-Hangars sowie normale Güter. Nach 450 Transporten war dann Schluss.» Dreier-Fahrzeuge und die Partner sassen damals mehrere Monate in den verschiedensten Ländern fest. 1981 fuhr Hans-Peter Dreier noch selbst einen letzten Transport in den Irak. «Wenn Sie international unterwegs sind, gewöhnen Sie sich an Krisen», zuckt der CEO mit den Achseln. Marokko löste in den 80ern und 90ern den Nahen Osten ab. Die nächste Krise betraf dann zehn Jahre später die Berber-Teppichindustrie, wiederum zehn Jahre später die Textiltransporte aus Marokko, weil in Ländern wie Bangladesch hergestellte Textilien noch günstiger waren, und so zog die Karawane weiter. Als dann die Finanzkrise über Europa einbrach, startete die grösste Veränderung der Firmengeschichte.
«Wenn Sie international unterwegs sind, gewöhnen Sie sich an Krisen und Marktverwerfungen.»
Vorher waren internationale Transporte mit einem Umsatzanteil von 70 Prozent die Basis. Heute machen nationale Verkehre und Logistik 80 Prozent aus. Der Anteil internationaler Verkehre beträgt nur noch 20 Prozent. Seither hat sich das Unternehmen noch breiter aufgestellt. Hauptbetätigungsfeld der Firma sind die Bereiche Baustoff-, Lebensmittel-, Textil-, System- und internationale Kühlverkehre. «Irgendwo gehts immer und irgendwo läufts nicht. Das hat sich bis heute bewährt.» Unter diesem Aspekt erfolgte auch die Ergänzung des Transportangebots durch logistische Dienstleistungen. 2001 wurde das erste grosse eigene Lager in Hunzenschwil eröffnet. Demnächst folgt auch die Übernahme des ehemaligen 60.000 Quadratmeter grossen Betriebsgeländes von General Electric (GE) in Oberentfelden, das über Lagerkapazitäten von über 30.000 Quadratmeter verfügt.
«Krisen machen resistent»
Doch das grösste Standbein sind zwischenzeitlich die Systemverkehre mit Wechselbrücken, die in einer Vielzahl von Konfigurationen vorliegen. Diese werden meist national auf der West-Ost-Achse im Nachtsprung eingesetzt. «Wir verladen spät bis 22 Uhr in den diversen Terminals und sind dann zum Beispiel um 6 Uhr in Genf.» Damit schlägt Dreier zwei Fliegen mit einer Klappe: Die Firma umgeht so das Lkw-Nachtfahrverbot in der Schweiz, und sie hat vor Ort immer Fahrer, die die jeweilige Landessprache sprechen. Der Bahnverlad leistet auch einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur CO2-Einsparung. International ist vor allem die Achse Köln-Aarau im Fokus.
Die Zugmaschinen haben – die von Martin Zingg ausgenommen – Motorisierungen zwischen 310 und 340 kW (420–460 PS) in der Schweiz, die international eingesetzten 370 kW (500 PS). Erneuert werden die letzteren alle drei Jahre. Die in der Schweiz eingesetzten Fahrzeuge, wegen ihrer teilweise spezifisch auf die Firma zugeschnittenen Konfigurationen und der geringeren jährlichen Kilometerleistung, verbleiben hingegen bis zu acht Jahre im Fuhrpark.
Für den Unternehmensinhaber ist jedenfalls eines klar: «Wir sind nun in der dritten Generation präsent, da haben wir ja nicht alles falsch gemacht. Es gab schon immer Krisen und wenn man aus jeder seine Lehren zieht, ist man ein bisschen resistent. Auch die neuste Herausforderung mit Corona haben wir gut gemeistert.»
Fotos: Hans Müller & Dreier AG